Sehr geehrter Herr Stahl,

wer auch immer Sie sein mögen, es ist mir ziemlich egal!

Ein solches "Memorandum", eine Darstellung, die vorgibt eine Ungerechtigkeit aufzuzeigen, zu verbreiten, finde ich einfach eine Zumutung gegenüber den Opfern dieser DDR-Diktatur.
Haben Sie, alle Unterzeichner und Sympartisanten denn gar keinen Respekt?
Was wäre einem geschehen, wenn man umgekehrt eine solche Provokation gegen das DDR-Regime veröffentlicht hätte, Sie haben grosses Glück keinen Verfolgungen und Demütigungen des Staates ausgesetzt zu sein.
Dieses e-mail sende ich Ihnen, weil ich meinem Zorn einmal im Leben öffentlich Ausdruck verleihen möchte, ich bin dermassen aufgewühlt,.......
Inhaltlich kann ich den "kritischen Stellungnahmen" von Catenhusen und Otto nur beipflichten!
Für mich, der ich Berliner bin, war und ist das was uns Berlinern und vielen anderen Deutschen angetan wurde, durch die Mauer in erster Linie und durch die Demütigungen der Behörden, immer noch sehr präsent. Ich glaube, ein Berliner der die Mauer selbst erlebt hat, tagtäglich mit gesperrten Strassen, Plätzen, Bahnhöfen, Häusern, Wäldern, Seen, Flüssen und leider so weiter konfrontiert war, und nicht etwa nur eine Woche oder so, nein 28 JAHRE von Familienmitgliedern getrennt sein Leben wie auf einem anderen Planeten und nicht nur "um die Ecke" verbracht hat, kann das niemals verwinden. Dieser Schmerz sitzt in einem das ganze Leben lang! Ihr "Memorandum" wirkt auf mich wie Spott über uns Opfer eines Regimes, das wir uns nicht ausgesucht hatten.
Wenn Sie auch mit einer "milden Strafe" oder gar ungestraft auf Erden bleiben, so folgt noch die Strafe nach dem Leben, dann wird Gerechtigkeit ergehen und kein Anwalt wird dasein, um "Gesetzeslücken" zu finden.

Ich meine nicht Sie persönlich, Herr Stahl, Sie trifft u.U. keine Schuld, vielleicht haben Sie die DDR nicht erlebt oder nur immer alles erfolgreich verdrängt.

Falls es jemanden interessieren sollte, ich bin Jahrgang 1974. Ich werde es nie vergessen, was meiner und vielen anderen Familien damals angetan wurde.
Und über den Satz: "Es war ja nicht alles schlecht in der DDR!" kann ich nur kopfschütteln, wie man soetwas von sich geben kann, konnte ich bis vor kurzem noch nicht nachvollziehen, aber Reich-Ranitzki hat mit folgender Aussage, getätigt in einer Fernsehrunde beim Bundespräsidenten a.D. Herzog den Punkt getroffen. Jemand der soetwas sagt, sieht die Vergangenheit durch die "Brille der Jugend".

Mein Leben ist nicht so schön, obwohl ich immer noch jung bin. Und wagen Sie ja nicht von mir zu behaupten, ich wüsste nicht wovon ich rede. Leider weiss ich das nur zu gut.
Ein Leben in Deutschland kommt für mich, aufgrund von solchen Personen, die die DDR als etwas darstellen wollen, was nicht der Realität entspricht nicht mehr in Frage. Sie haben mich zum Gehen bewogen. Ich liebe mein Berlin sehr. Doch es ist leichter in der Ferne. Auch hilft mir mein Glaube weiter, wie damals schon.
Mein Lebenswunsch wurde mir erfüllt, einmal den Reichstag berühren zu können, dafür hätte ich mein Leben geopfert.
Dafür danke ich Gott.
Amen.

Oliver Zybell, Oslo, den 21. Juli 1999.

zybell@c2i.net